Jahresendspurt – Zwischen Druck und Durcheinander

Wie der Dezember zur emotionalen und organisatorischen Herausforderung für Führungskräfte wird – und wie Sie dem klug begegnen können.


Chaos am Jahresende – ein bekanntes Szenario

  • „Ich brauch dringend noch Ihre Freigabe, sonst platzt das Projekt dieses Jahr!“
  • „Wir müssen das Budget noch verplanen, sonst geht es zurück an die Zentrale!“
  • „Wann holen Sie denn die Kinder von der Probe ab? Ich bin schon auf dem Weihnachtsmarkt mit der Klasse!“

Solche Sätze fliegen mir in diesen Wochen regelrecht um die Ohren. Und wenn ich mit meinen Kunden spreche, höre ich ähnliche Geschichten: Der Dezember wird zur dichten Gemengelage aus Deadlines, Dauerbesprechungen und operativem Aktionismus.

In einem Unternehmen der Konsumgüterbranche erzählte mir kürzlich eine Bereichsleiterin: „Wir haben im Dezember mehr interne Meetings als im ganzen Herbst zusammen – einfach, weil alle noch etwas auf den letzten Metern klären wollen.“

Und dann ist da noch das Privatleben.


Wenn Business und Besinnlichkeit kollidieren

Es ist paradox: Der Dezember ist die Zeit der Lichter, der Einkehr, der Familienrituale. Gleichzeitig aber auch einer der geschäftigsten Monate im Kalender vieler Unternehmen. Gerade in großen Organisationen müssen noch Budgets ausgeschöpft, Jahresziele erreicht und offene Projekte „abgeschlossen“ werden – oft mit einem Schuss Aktionismus.

Für Führungskräfte entsteht dadurch eine Doppelbelastung. Sie sind gefordert, strukturelle Themen voranzutreiben, Mitarbeitende zu unterstützen und gleichzeitig selbst mit Termindruck und mentaler Erschöpfung umzugehen.

Ich erinnere mich an ein Projekt mit einem Energieversorger: Der ursprünglich für Mitte Januar geplante Workshop zur Optimierung von Serviceprozessen wurde kurzfristig auf Dezember vorgezogen, weil das Budget sonst verfallen wäre. Die Folge: Teilnehmende waren erschöpft, schlecht vorbereitet und bereits mental im Weihnachtsurlaub. Der Erkenntnisgewinn blieb überschaubar – von nachhaltiger Wirkung ganz zu schweigen.


Der Preis des Perfektionismus zum Jahresende

Viele Führungskräfte wollen im Dezember noch „liefern“: Den Mitarbeitenden einen sauberen Abschluss bieten, Projekte rund machen, alles ordentlich dokumentieren. Aber was genau bringt es, wenn wir in den letzten Wochen des Jahres alles auf einmal wollen?

Die Antwort ist oft: Viel Lärm, wenig Substanz. Meetings ohne Fokus, Entscheidungen unter Druck, Teams, die mehr funktionieren als reflektieren. Eine Teamleiterin formulierte es mir gegen Ende des Jahres treffend: „Wir hetzen von einem To-do zum nächsten, aber niemand fragt mehr: Machen wir eigentlich das Richtige, oder nur das Nächstliegende?“

Und nicht zu vergessen: Ein erhöhtes Konfliktpotenzial, weil Nerven blank liegen und der Sinn für Nuancen verloren geht.


Weihnachten als stille Zeit? Neue Wege denken

Viele Unternehmen haben bereits reagiert. Ein mittelständisches IT-Unternehmen aus Süddeutschland beispielsweise hat die klassische Weihnachtsfeier durch eine digitale Dankesbotschaft der Geschäftsführung ersetzt und stattdessen einen intensiven Jahresauftakt-Workshop im Januar eingeführt.

Das Feedback aus dem Team: weniger Dezember-Stress, mehr Vorfreude und ein klarerer Start ins neue Jahr. Statt eines „großen Jahresabschlusses“ mit PowerPoint-Marathons und Feierstress setzen sie auf einen frühzeitigen Cut. Keine Weihnachtsfeier. Keine Abschlussworkshops. Stattdessen: Ruhe einkehren lassen, kleine Aufmerksamkeiten verschicken, Dankbarkeit zeigen – und Raum lassen.

Das schafft nicht nur Entlastung, sondern auch Potenzial für den Neuanfang: Wer nicht alles in den Dezember packt, kann den Jahresauftakt bewusst gestalten.


Drei Impulse für Führungskräfte im Dezember

  1. Setzen Sie klare Prioritäten. Nicht alles muss noch dieses Jahr passieren. Fragen Sie sich: Was bringt echten Mehrwert, was kann ins neue Jahr?
  2. Sprechen Sie offen mit Ihrem Team. Fragen Sie nach, wo Überforderung herrscht. Signalisieren Sie Verständnis und Flexibilität. Oft reicht schon ein „Das holen wir im Januar nach“, um Erleichterung zu erzeugen.
  3. Planen Sie den Jahresauftakt jetzt. Statt Dezemberstress: Warum nicht im Januar gemeinsam zurück- und nach vorn blicken? Welche Ziele wollen wir erreichen? Was wollen wir im Team entwickeln? Diese Gespräche haben in entspannter Atmosphäre deutlich mehr Wirkung.

Mein Fazit:
Mit Klarheit statt Aktionismus ins neue Jahr

Der Jahresendspurt ist wie eine Kreuzung, an der viele Wege gleichzeitig aufeinanderprallen. Wer hier als Führungskraft mit Weitsicht und Klarheit handelt, kann viel Gutes bewirken: für sich selbst, das Team und die Organisation.

Und manchmal ist es genau die richtige Entscheidung, nicht noch mehr zu beschleunigen – sondern einen bewussten Gang runterzuschalten.

Auch in diesem Jahr unterstütze ich Unternehmen dabei, den Jahreswechsel sinnvoll zu gestalten: Zum Beispiel mit einem klar strukturierten Jahresauftakt-Workshop, bei dem Führungsteams gemeinsam ihre Ziele für das neue Jahr definieren, Verantwortlichkeiten klären und den Blick auf die Zusammenarbeit schärfen.

Einer meiner Kunden aus dem Maschinenbau möchte diesen Ansatz nutzen, um gleich zu Jahresbeginn eine neue Kommunikationskultur im Führungskreis zu etablieren. Schon jetzt – während wir es bisher nur planen – zeigen sich schon jetzt positive Effekte auf Teamleistung und Zusammenarbeit.