Teamentwicklung verstehen – Teil 3

Teamphase „Norming“

Struktur finden, Vertrauen festigen

Nach Reibung und Klärung folgt Stabilisierung: In der Norming-Phase beginnen Teams, ihre Zusammenarbeit aktiv zu gestalten. Es werden Regeln entwickelt, Rollen geklärt, Routinen etabliert. Die zuvor spürbare Spannung weicht einem Gefühl von Aufbruch und gemeinsamer Orientierung. Oft ist es der Moment, in dem Teams sich zum ersten Mal wirklich als Einheit erleben – nicht nur durch Organisation, sondern durch Vertrauen. Es ist wie das Einrasten eines gut geölten Zahnradsystems: Jedes Teil kennt seine Funktion, und gemeinsam greifen alle ineinander – effizient, abgestimmt und mit wachsendem Selbstvertrauen.

Was passiert im Norming?

Das Team hat sich durch die Storming-Phase gearbeitet. Spannungen wurden besprochen, Missverständnisse geklärt. Jetzt entsteht Raum für verbindliche Absprachen, für gegenseitige Unterstützung und das Bewusstsein: Wir sind ein Team.

Es ist, als würde man nach einem Sturm in einen ruhigeren Hafen einlaufen. Die Kommunikation wird offener, Missverständnisse werden seltener, und erste Erfolgserlebnisse stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl. Unterschiedliche Arbeitsweisen werden nicht mehr als Störfaktor wahrgenommen, sondern als Bereicherung. Beispielsweise wird der strukturierte Ansatz eines Kollegen, der zuvor als pedantisch galt, plötzlich als wertvolle Ergänzung zur kreativen Spontaneität anderer Teammitglieder erlebt. Diese Anerkennung individueller Stärken schafft Vertrauen und fördert die gegenseitige Unterstützung. Vertrauen wächst – und mit ihm das Zutrauen in die gemeinsame Leistungsfähigkeit.

Typische Merkmale dieser Phase:

  • Rollen und Verantwortlichkeiten sind geklärt
  • Gemeinsame Werte und Normen entstehen
  • Die Kommunikation wird offener und vertrauensvoller
  • Erste Routinen geben Struktur und Sicherheit
  • Es herrscht mehr Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung
  • Gemeinsame Ziele rücken stärker in den Fokus

In dieser Phase wird viel kommuniziert, aber mit mehr Klarheit und Vertrauen. Man lässt sich gegenseitig Raum, weiß aber auch, worauf man sich verlassen kann. Konflikte sind nicht verschwunden – aber der Umgang damit ist konstruktiver geworden. Kritik wird weniger als Angriff, sondern als Entwicklungsimpuls wahrgenommen.

Die Rolle der Führungskraft: Orientierung vertiefen, Entwicklung ermöglichen

In der Norming-Phase verändert sich auch die Rolle der Führungskraft. Vom Moderator und Konfliktbegleiter wird sie mehr und mehr zum Prozessgestalter, Coach und Impulsgeber. Es geht jetzt darum, die entstandene Stabilität zu nutzen – ohne sich darauf auszuruhen. Denn Stabilität ist keine Endstation, sondern die Grundlage für Wachstum.

Wichtige Aufgaben der Führungskraft:

  • Gemeinsame Regeln und Standards mit dem Team vereinbaren
  • Rollenentwicklung und Verantwortungsbewusstsein fördern
  • Reflexion über Zusammenarbeit anstoßen
  • Stärken sichtbar machen und nutzen
  • Die Balance zwischen Struktur und Selbstorganisation gestalten
  • Transparenz über Entscheidungen und Zuständigkeiten fördern
  • Gelegenheiten für gemeinsames Lernen schaffen

Jetzt ist auch der Moment, um bewusst über Werte zu sprechen: Was zeichnet uns als Team aus? Eine bewährte Methode hierfür ist die „Wertewand“: Jedes Teammitglied schreibt auf Moderationskarten, welche Werte ihm im Team wichtig sind. Anschließend wird gemeinsam sortiert, diskutiert und priorisiert – bis eine gemeinsame Wertebasis sichtbar wird, die als Grundlage für die Zusammenarbeit dient. Die Antworten auf Fragen wie „Was ist uns im Umgang miteinander wichtig?“ stärken Identität und Zusammenhalt.

Gerade jetzt lohnt es sich, innezuhalten: Was funktioniert gut? Wo braucht es noch Nachjustierung? Welche Erfolge können gefeiert werden? Diese Fragen helfen, Entwicklung bewusst zu verankern. Auch kleine Rituale – etwa wöchentliche Check-ins, Dankesrunden oder Feedbackroutinen – können viel zur Stabilität beitragen.

Praxisbeispiel: Ein wachsendes Marketing-Team

Ein Marketing-Team in einem wachsenden Unternehmen hat mehrere neue Mitglieder aufgenommen. Nach intensiven ersten Wochen mit vielen Abstimmungen und Reibungen stabilisiert sich die Zusammenarbeit. Es werden gemeinsame Arbeitsprozesse definiert, ein wöchentlicher Jour Fixe eingeführt und ein digitales Whiteboard für die Aufgabenkoordination genutzt.

Die Teamleitung nutzt die Gelegenheit, um in einer Teamsitzung gemeinsam Spielregeln zu definieren: Die Reaktionen im Team sind vielfältig – einige Kolleg:innen freuen sich über die neue Klarheit, andere sind zunächst skeptisch, ob sich Regeln wirklich etablieren lassen. Im Laufe des Gesprächs entstehen jedoch spürbare Aha-Momente: Eine Kollegin äußert, dass sie sich durch klare Erwartungen endlich sicherer in ihrer Rolle fühlt. Ein anderer Kollege erkennt, dass ein bisher als schwierig empfundener Kommunikationsstil durch einfache Abstimmungen besser eingeordnet werden kann. Die Beteiligung ist hoch, der Dialog offen. Erste kleine Rituale entstehen: gegenseitige Wertschätzung am Ende der Woche, ein gemeinsames Mittagessen pro Monat. Die Stimmung wird spürbar konstruktiver.

Zusätzlich initiiert die Führungskraft eine interne Teamreflexion: Was hat uns als Team bislang gut durch die Veränderung getragen? Welche Kompetenzen sind neu hinzugekommen? Dabei zeigt sich: Das Team hat seine Vielfalt als Stärke entdeckt. Ein „Team-Canvas“ – ein visuelles Tool zur Teamentwicklung, das zentrale Elemente wie Werte, Rollen, gemeinsame Ziele und Bedürfnisse abbildet – hilft, Rollen, Stärken und Ziele sichtbar zu machen und eine gemeinsame Sprache zu finden.

Reflexionsfragen für Führungskräfte

  • Welche Routinen unterstützen unsere Zusammenarbeit?
  • Sind unsere Rollen klar und sinnvoll verteilt?
  • Wie erleben wir unsere Teamkultur aktuell?
  • Welche Regeln helfen uns, besser zu arbeiten?
  • Gibt es unausgesprochene Normen, die wir thematisieren sollten?
  • Haben wir Raum geschaffen, um Erfolge sichtbar zu machen?
  • Nutzen wir die Vielfalt im Team konstruktiv?

Ausblick: Von Stabilität zu Leistung

In der Norming-Phase entsteht ein neues „Wir“-Gefühl. Teams beginnen, ihre Zusammenarbeit bewusst zu gestalten. Klarheit, Struktur und Vertrauen wachsen – und legen den Grundstein für gemeinsames Lernen und Leistung.

Im nächsten Teil der Serie geht es um die vierte Phase: Performing – wenn ein Team in den Flow kommt, reibungslos zusammenarbeitet und sein volles Potenzial entfaltet.