Wenn Führung schwimmt – bleibt Klarheit auf der Strecke: „Sie wissen schon, wie ich das meine …“
Warum Unverbindlichkeit in der Kommunikation kein Führungsstil ist
Kennen Sie das? Ein Meeting läuft gut, die Themen sind auf dem Tisch, erste Ideen werden diskutiert – und dann fällt dieser eine Satz:
„Sie wissen schon, wie ich das meine …“
Ein scheinbar harmloser Halbsatz. Und doch ist er wie ein plötzlicher Nebel, der sich über das Gesagte legt. Was vorher noch greifbar schien, wird unklar. Die Aussage verliert an Kontur, an Verbindlichkeit.
Nehmen wir zum Beispiel eine typische Montagmorgen-Runde im Führungskreis. Es geht um die Aufstellung für ein neues Projekt. Einer der Beteiligten spricht sich vage für ein bestimmtes Vorgehen aus – und beendet seinen Beitrag mit: „Sie wissen schon, wie ich das meine …“ Niemand will unhöflich sein, also nickt man im Raum zustimmend. Keiner fragt nach, ob er etwa die Ressourcenfrage, die Priorität oder die Zuständigkeit meint. Und so bleibt ein diffuser Eindruck zurück – mit einer Aussage, die keiner wirklich greifen kann.
Ich erlebe diesen Satz regelmäßig. In Workshops. In Gesprächen mit Führungskräften. In Veränderungsprozessen. Und jedes Mal frage ich mich: Warum passiert das so oft? Warum trauen sich so viele nicht, einfach klar zu sagen, was sie meinen?
Unverbindlichkeit beginnt im Kleinen
In einem meiner Führungsworkshops kam dieser Moment sehr deutlich zum Vorschein. Es ging um die Neuausrichtung eines Bereichs, um das Verschieben von Verantwortlichkeiten. Eine erfahrene Führungskraft meldete sich zu Wort, äußerte ihre Sichtweise – durchaus differenziert – und schloss ihren Beitrag mit:
„Ich denke, wir kriegen das so irgendwie hin. Sie wissen schon, was ich meine …“
Der Satz hing im Raum. Ein paar Kollegen schauten sich an, einer nickte vorsichtig. Niemand widersprach, niemand fragte nach. Also wechselten wir zum nächsten Thema.
Doch für mich war das Gespräch noch nicht abgeschlossen. Also fragte ich zurück: „Was genau meinen Sie? Können Sie das nochmal konkret sagen?“
Zunächst war da eine kurze Pause. Man spürte förmlich, wie die Führungskraft innerlich sortierte, bevor sie erneut ansetzte. Dann sprach sie – diesmal viel klarer und mit spürbarer Haltung – aus, was sie wirklich meinte: Dass sie befürchtet, dass bestimmte Rollen unklar bleiben. Dass sie mehr Orientierung für ihr Team braucht. Dass sie selbst noch keine Lösung sieht, aber das Thema nicht unter den Tisch fallen lassen will.
Der Ton im Raum änderte sich. Plötzlich wurde nicht mehr nur genickt, sondern aufmerksam zugehört. Die Kolleg:innenwirkten erleichtert – als hätte jemand das ausgesprochen, was viele empfanden, aber keiner zu sagen wagte.
Was für ein Unterschied. Und was für ein Gewinn für alle Beteiligten.
Warum fällt es so schwer, klar zu sprechen?
Unverbindlichkeit entsteht nicht aus Faulheit oder mangelnder Intelligenz. Sie ist oft ein Schutzmechanismus. Denn wer sich klar äußert, macht sich angreifbar. Wer eine Meinung hat, kann anecken. Wer Verantwortung übernimmt, riskiert Kritik.
Also wählen viele Menschen – gerade auch in Führungspositionen – die weichere Variante. Sie sprechen in Andeutungen, in vorsichtigen Formulierungen. Sie hoffen, dass das Gegenüber „schon versteht, wie es gemeint ist“.
Doch genau das funktioniert nicht. Oder besser gesagt: Es funktioniert nur vordergründig. In der Tiefe erzeugt es Verunsicherung. Und langfristig schwächt es die Führungskultur eines Unternehmens.
Man erkennt das zum Beispiel an Projekten, die ins Stocken geraten, weil Entscheidungen unklar bleiben. Wenn niemand genau weiß, was gewünscht ist, traut sich auch niemand, Verantwortung zu übernehmen. So entstehen Verzögerungen, Frust und im schlimmsten Fall Schuldzuweisungen – obwohl das eigentliche Problem eine unklare Kommunikation auf Führungsebene war.
Die Wirkung von vagen Formulierungen
Wenn Führungskräfte nicht klar sagen, was sie meinen, passiert Folgendes:
- Mitarbeitende interpretieren – und liegen dabei oft daneben.
- Entscheidungen werden nicht nachvollziehbar – und damit schwer vermittelbar.
- Erwartungen bleiben unklar – und führen zu Frust oder Rückzug.
- Vertrauen geht verloren – denn Unverbindlichkeit wirkt wie Taktieren.
Ein Team kann mit vielen Dingen umgehen: mit anspruchsvollen Zielen, mit Veränderungen, mit Konflikten. Was es nicht gut aushält, ist Unklarheit. Denn Unklarheit verhindert Orientierung. Und Orientierung ist eine der zentralen Aufgaben von Führung.
Was Klarheit in der Sprache verändert
Klarheit in der Kommunikation ist mehr als nur ein sprachliches Stilmittel. Sie ist Ausdruck von Haltung. Wer sich klar ausdrückt, zeigt:
- Ich habe mir Gedanken gemacht.
- Ich stehe zu dem, was ich sage.
- Ich übernehme Verantwortung.
Natürlich darf man auch einmal unsicher sein. Natürlich darf man sagen: „Ich bin mir da selbst noch nicht ganz sicher.“Auch das ist eine klare Aussage. Aber sie ist ehrlich. Und sie lässt Raum für echte Diskussion. Was hingegen nicht hilft, ist das kommunikative Verschwinden hinter Floskeln wie: „Sie wissen ja, wie ich das meine …“
Drei einfache Ansätze für mehr Verbindlichkeit
- Eigene Gedanken zu Ende denken
Beispiel: Eine Bereichsleiterin bereitet sich auf ein Mitarbeitergespräch vor und formuliert nicht nur ihre Kritik, sondern auch ein konkretes Zielbild für die Zusammenarbeit. - Schwammige Formulierungen erkennen und vermeiden
Beispiel: Statt „Vielleicht schauen wir mal, wer das machen kann“ zu sagen: „Frau Müller, ich möchte, dass Sie die Verantwortung für dieses Thema übernehmen – wir sprechen gleich über die Details.“ - Nachfragen fördern und zulassen
Beispiel: In einem Teammeeting sagt ein Mitarbeiter: „Ich verstehe nicht ganz, was mit ‚flexibler Einsatz‘ gemeint ist.“ – Die Führungskraft geht darauf ein und erläutert, was sie konkret erwartet.
Fazit: Sprache schafft Kultur
Die Art und Weise, wie in einem Unternehmen gesprochen wird, ist mehr als nur Kommunikation. Sie ist Kultur. Und sie beginnt bei der Führung. Wer als Führungskraft klare, verbindliche Sprache vorlebt, setzt ein Signal – nicht nur an das Team, sondern an die gesamte Organisation.
Unverbindlichkeit ist bequem. Klarheit ist anstrengender. Aber Klarheit wirkt. Sie schafft Vertrauen, Richtung und Verlässlichkeit.
Vielleicht ist es also Zeit, sich vom Satz „Sie wissen schon, wie ich das meine …“ zu verabschieden. Und stattdessen zu sagen, was man wirklich meint.
Das wäre dann Führung mit Haltung – und Sprache, die trägt.
