Wie Sie mit einem World-Café in wenigen Stunden mehr erreichen als in endlosen Meetings
Stellen Sie sich ein klassisches Meeting vor: lange Wortmeldungen, viele Monologe, einige wenige, die sprechen – und am Ende die Frage, ob wirklich alle Perspektiven eingeflossen sind. Vor kurzem habe ich mit einem Führungsteam gearbeitet, das genau diese Erfahrung machen wollte – aber diesmal anders. Wir haben uns für ein World-Café entschieden. Nach nur zwei Stunden voller Energie, Diskussionen und Notizen auf den Tischdecken war klar: Hier sind Ideen entstanden, die in einem normalen Meeting nie so sichtbar geworden wären. Genau das ist die Stärke dieser Methode. Ein Teilnehmer brachte es auf den Punkt: „Ich hätte nie gedacht, dass wir in so kurzer Zeit so viel Tiefe erreichen können.“
Wann lohnt sich ein World-Café?
Ein World-Café eignet sich immer dann, wenn alle Stimmen im Raum gehört werden sollen und wenn es darum geht, gemeinsam ein komplexes Thema zu beleuchten. Für Führungskräfte bedeutet das: Sie erhalten in kurzer Zeit ein breites Bild, können unterschiedliche Perspektiven zusammenführen und schaffen eine Basis, die spätere Entscheidungen schneller und mit höherer Akzeptanz ermöglicht.
Ich habe es z. B. eingesetzt:
- mit einem mittelständischen Produktionsunternehmen, um Impulse für die künftige Strategie zu sammeln,
- in einem Logistikunternehmen, um Führungskräften Raum zu geben, über Zusammenarbeit und Rollenverständnis zu sprechen,
- in einem Projekt-Kick-off, um Erwartungen und Risiken frühzeitig transparent zu machen.
Auch bei Change-Prozessen ist das Format oft wertvoll. In einem meiner Workshops mit einem Energiekonzern haben wir mit über 50 Teilnehmenden eine Frage bearbeitet: „Wie können wir unsere Transformation als Chance sehen?“ – die Ergebnisse haben Wochen später noch Eingang in Führungsgespräche gefunden.
Weniger geeignet ist die Methode, wenn eine kleine Gruppe schnell eine Entscheidung treffen muss oder wenn es um sehr technische Detailfragen geht, die nur von Experten beantwortet werden können. Ebenso kann ein World-Café an seine Grenzen stoßen, wenn das Unternehmen noch nicht bereit ist, unterschiedliche Sichtweisen tatsächlich zuzulassen.
Wie läuft ein World-Café ab?
Vorbereitung – den Rahmen setzen
Der Schlüssel liegt in einer guten Frage. In einem meiner Workshops haben wir zum Beispiel die Leitfrage gestellt: „Wie können wir unsere Zusammenarbeit so gestalten, dass wir nicht nur effizient, sondern auch innovativ sind?“ Die Teilnehmenden saßen an kleinen Tischen, jeder mit Papierdecken und Stiften ausgestattet – ganz wie in einem Café. Schon die Atmosphäre hat spürbar dazu beigetragen, dass Gespräche offener und kreativer verliefen. Wichtig ist auch die Teilnehmermischung: Je heterogener die Gruppe, desto größer die Chance auf neue Impulse.
Im Vergleich zu einem klassischen Meeting, das oft auf Präsentationen und Wortmeldungen setzt, schafft das World-Café einen Raum, in dem Austausch und Kreativität von Beginn an im Mittelpunkt stehen.
Als Moderator achte ich darauf, die Frage so zu formulieren, dass sie offen, inspirierend und handlungsorientiert ist. Eine zu enge Frage blockiert, eine zu breite zerfasert die Diskussion.
Durchführung – das Gespräch in Bewegung bringen
Wir starteten mit einer kurzen Einführung: zuhören, Ideen weiterspinnen, aufeinander aufbauen. Danach folgten mehrere Gesprächsrunden à 15–20 Minuten. Nach jeder Runde wechselten die Teilnehmenden den Tisch, nur eine Person blieb zurück und erzählte den Neuankömmlingen, welche Gedanken bereits gesammelt worden waren. So verbanden sich die Ideen von Runde zu Runde. Am Ende stand eine bunte Sammlung an Stichworten, Skizzen und Gedanken, die wir im Plenum sichtbar machten.
In einem anderen Workshop erinnere ich mich gut an den Moment, als ein Teamleiter sagte: „Ich habe heute verstanden, warum wir immer wieder aneinander vorbeireden – wir benutzen dieselben Worte, aber meinen Unterschiedliches.“Solche Erkenntnisse entstehen selten in klassischen Meetings, sondern durch die Kombination von Austausch, Wechsel und Visualisierung.
Nachbereitung – Wirkung sichern
Die Energie im Raum war hoch – doch entscheidend war, was danach passierte. Wir haben die Ergebnisse gebündelt, dokumentiert und daraus konkrete Handlungsfelder entwickelt. In einem anderen Fall hat ein Kunde die Ergebnisse direkt in eine Strategieklausur eingebracht.
Im Gegensatz zu vielen Meetings, die nach dem Schließen der Tür verpuffen, bleibt beim World-Café etwas Nachhaltiges: ein sichtbares Ergebnis, das in bestehende Prozesse integriert werden kann. Nachbereitung bedeutet auch, die Verantwortung für das Weiterdenken klar zu benennen: Wer nimmt die Impulse mit? Welche nächsten Schritte werden vereinbart? Ohne diese Brücke bleibt das World-Café ein inspirierender Moment, aber ohne Wirkung. Meine Erfahrung zeigt: Wenn die Ergebnisse sichtbar gemacht und in bestehende Prozesse eingespeist werden, können sie große Dynamik entfalten.
Fazit – mehr Klarheit und Energie für Führungsteams
Ein World-Café ist mehr als eine Methode – es ist ein Erlebnis. Es macht die Vielfalt der Gedanken sichtbar und erzeugt eine Dynamik, die Menschen begeistert. Gerade wenn es um Strategie, Kultur und Zusammenarbeit geht, kann es der entscheidende Impuls sein, der ein Team in Bewegung bringt. Ein Geschäftsführer sagte mir einmal nach einer solchen Session: „Wir hätten Monate gebraucht, um diese Perspektiven einzeln zu hören – und trotzdem wären sie nie so kraftvoll zusammengekommen.“
Der Erfolg hängt stark davon ab, wie gut das World-Café vorbereitet, moderiert und nachbereitet wird. Erfahrungsgemäß lohnt es sich, dafür eine neutrale Moderation einzusetzen, damit sich alle Teilnehmenden ganz auf Inhalte und Austausch konzentrieren können. Wer das World-Café richtig einsetzt, kann nicht nur Ideen gewinnen, sondern auch Energie, Verbundenheit und Klarheit im Führungsteam schaffen.