Mitarbeitermotivation: Eine typische Szene aus dem Führungsalltag

Stellen Sie sich folgende Szene vor: Eine Tagung mit mehreren Führungskräften. Der Vorstand steht vorne und stellt eine Frage in die Runde:

„Was denken Sie, wie wir unsere Prozesse effizienter gestalten können? Ich bin gespannt auf Ihre Meinungen!“

Anfangs sind die Führungskräfte noch engagiert. Sie nicken interessiert, einige machen sich Notizen, andere tauschen kurze Blicke aus und melden sich eifrig zu Wort. Es entsteht eine lebhafte Diskussion, bei der Ideen und Vorschläge sprudeln. Dann sagt der Vorstand:

„Danke für Ihre Ideen! Ich habe mir dazu natürlich auch Gedanken gemacht und denke, die beste Lösung ist folgendermaßen…“

Er präsentiert seine fertige Lösung, ohne wirklich auf die Vorschläge einzugehen.

Beim nächsten Mal, als er eine Frage stellt, sind die Antworten schon zögerlicher. Beim dritten Mal herrscht betretenes Schweigen. Warum? Weil alle im Raum wissen: Am Ende wird sowieso die Vorstandslösung verkündet.

Was passiert hier psychologisch?

Nachdem dies ein paar Mal passiert ist, entsteht ein klares Muster: Die Fragen dienen weniger der echten Mitbestimmung als vielmehr der Bestätigung der bereits getroffenen Entscheidung. Diese Art der scheinbaren Partizipation ist nicht nur frustrierend, sondern auch demotivierend. Aus psychologischer Sicht lassen sich zwei interessante Erklärungsmodelle heranziehen:

1. Die Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan)

Diese Theorie beschreibt drei fundamentale psychologische Bedürfnisse, die erfüllt sein müssen, damit Menschen motiviert arbeiten:

  • Autonomie: Menschen wollen das Gefühl haben, selbst Einfluss auf Entscheidungen nehmen zu können.
  • Kompetenz: Sie möchten spüren, dass ihr Wissen und ihre Fähigkeiten wertgeschätzt werden.
  • Soziale Eingebundenheit: Sie möchten ernst genommen und respektiert werden.

Wenn eine Führungskraft nur scheinbar nach der Meinung fragt, aber dann doch die eigene Lösung durchdrückt, führt das zu Frustration. Die Mitarbeitenden merken, dass ihre Autonomie nicht respektiert wird, und ziehen sich zurück. Das Resultat: Der Wille zur Mitgestaltung nimmt rapide ab.

2. Die Erwartungs-Wert-Theorie (Vroom)

Victor Vrooms Modell beschreibt Motivation als eine Funktion von drei Faktoren:

  • Erwartung: „Wenn ich mich beteilige, führt das zu einem sinnvollen Ergebnis?“
  • Instrumentalität: „Hat meine Antwort wirklich Einfluss oder ist das Ganze nur eine Show?“
  • Wert: „Ist es überhaupt wichtig, dass ich meine Meinung äußern kann?“

Wenn Mitarbeitende erkennen, dass ihr Input ohnehin keine Auswirkungen hat, sinkt ihre Motivation rapide. Warum Energie in eine Diskussion investieren, wenn am Ende ohnehin die Meinung der Führungskraft gilt? Langfristig führt das dazu, dass Mitarbeitende nur noch abwarten, anstatt aktiv mitzudenken.

Selbstreflexion für Führungskräfte

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Ihre Mitarbeitenden Ihre Fragen wahrnehmen? Falls Sie sich in dieser Situation wiedererkennen, lohnt sich eine ehrliche Reflexion:

  • Fragen Sie Ihre Mitarbeitenden wirklich, um ihre Ideen aufzugreifen? Oder eher, um eine vorher festgelegte Entscheidung besser zu verkaufen?
  • Geben Sie Ihren Mitarbeitenden genug Raum, eigene Lösungen zu entwickeln, oder lenken Sie die Diskussion unbewusst in Ihre Richtung?
  • Wie oft wurden Vorschläge von Ihrem Team wirklich umgesetzt?

Gute Führung bedeutet nicht nur, richtige Entscheidungen zu treffen, sondern auch ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeitende ernst genommen fühlen. Andernfalls kann es passieren, dass wertvolle Ideen nicht geäußert werden und ein Klima des Schweigens entsteht, in dem Mitarbeitende nur noch abwarten, anstatt aktiv mitzudenken und Verantwortung zu übernehmen. Wer wirklich partizipative Führung leben will, sollte bereit sein, echte Mitsprache zuzulassen – auch wenn das bedeutet, die eigene Lösung einmal hintenanzustellen.